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Multinormkleidung im Vergleich: Warum nicht jede Kombination gleich schützt

Multinormkleidung im Vergleich: Warum nicht jede Kombination gleich schützt

Geschätzte Lesezeit: 6 Minuten

Der Morgen beginnt wie jeder andere

Der Monteur steigt in den Hubsteiger, der Boden ist noch feucht vom Nachtregen. Plötzlich spinnt die Elektrik, ein Funke, ein Lichtbogen – nur Sekundenbruchteile, aber genug, um alles zu verändern. Zum Glück trägt er die richtige Kleidung: flammhemmend, antistatisch, sichtbar – zertifiziert für genau diesen Moment. Doch was, wenn nicht? Was, wenn die Norm auf dem Etikett zwar stimmt, aber die Schutzwirkung im Ernstfall nicht greift? 

Multinormkleidung schützt nur dann wirklich, wenn sie richtig kombiniert, geprüft und getragen wird. Denn PSA ist kein Etikett – sondern Verantwortung.

Was bedeutet „Multinorm“ eigentlich?

Der Begriff „Multinorm“ ist nicht rechtlich definiert – es handelt sich um eine praktische Sammelbezeichnung für Kleidung, die normübergreifend schützt. Genau deshalb ist es wichtig, nicht allein auf das Etikett zu vertrauen, sondern auf die tatsächliche Schutzwirkung.

Multinormkleidung ist somit Schutzkleidung, die mehrere  Normen  gleichzeitig erfüllt – zum Beispiel gegen Hitze, Flammen, Chemikalien oder elektrische Lichtbögen. Sie kommt überall dort zum Einsatz, wo Beschäftigte gleich mehreren Gefahren ausgesetzt sind – etwa in der Energieversorgung, in Chemiebetrieben, beim Rückbau oder im Straßenbau.

Warum Multinormkleidung mehr ist als eine Normensammlung 

Multinormarbeitskleidung wirkt nur dann richtig, wenn die Kombination der Schutzfunktionen aufeinander abgestimmt sind. Es reicht nicht, mehrere Zertifizierungen an einem Kleidungsstück zu vereinen – sie müssen sich auch in der Praxis ergänzen. 

Beispiel: Multinorm gegen Flamme, Chemie & Strom

Ein Schutzanzug, der sowohl gegen Hitze (EN 11612), Chemikalienspritzer (EN 13034) als auch gegen Lichtbögen (EN 61482-1-2) zertifiziert ist, stellt hohe Anforderungen an das Material. Hier kann es zu Zielkonflikten kommen: Eine chemikalienabweisende Imprägnierung kann die flammenhemmende Wirkung mindern. Ein Stoff, der Strom ableiten soll, darf dabei aber keine leitfähige Oberfläche aufweisen.

Ein wichtiger Aspekt ist dabei außerdem die Unterscheidung zwischen primärer und sekundärer flammhemmender (FR) Kleidung.

  • Primäre FR-Kleidung ist so konzipiert, dass sie von sich aus Schutz gegen Flammen, Hitze oder Lichtbögen bietet.
  • Sekundäre FR-Kleidung kommt zusätzlich zum Einsatz – beispielsweise als Chemikalienschutz – und darf die Schutzwirkung der primären Lage nicht beeinträchtigen. 

Nur durch präzise Materialauswahl und geprüfte Kombinationen lässt sich echter Schutz gewährleisten.

Grafik einer Person in Multinormkleidung, welche vor einer Schweißerflamme steht

Was sind die wichtigsten Multinormen?

Multinormkleidung schützt vor einer Vielzahl an Risiken, die in vielen Arbeitsbereichen gleichzeitig auftreten können. Ihre Stärke liegt in der Kombination zertifizierter Schutzfunktionen – abgestimmt auf reale Einsatzbedingungen.

 Typische Gefährdungen sind:

 1. Offene Flammen und thermische Strahlung

  • abgedeckt durch EN ISO 11612 (Schutz gegen Hitze und Flammen) 

2. Statische Aufladung und Funkenüberschlag 

  • geregelt in EN 1149-5 (elektrostatische Eigenschaften) 

3. Sichtbarkeitsverlust bei schlechter Witterung oder Dunkelheit

  • gesichert durch EN ISO 20471 (Warnschutzkleidung) 

4. Lichtbogenentladung bei elektrischer Arbeit

  • normiert über IEC 61482-2 (Lichtbogenschutz)

5. Kurzzeitiger Kontakt mit Chemikalienspritzern

  • abgedeckt durch EN 13034 Typ 6 (begrenzter Schutz gegen flüssige Chemikalien)

6. Witterungseinflüsse wie Wind und Regen

  • geschützt durch EN 343 (Wetterschutzkleidung)

7. Ergonomische Belastungen

  • geschützt durch EN 14404 (Knieschutz für Arbeiten in kniender Haltung)

Die Herausforderung liegt darin, all diese Schutzanforderungen in einem Kleidungsstück zu vereinen – ohne Kompromisse bei Beweglichkeit, Tragekomfort oder Praxistauglichkeit einzugehen.

Abbildung eines Etiketts mit verschiedenen aufgedruckten Normen.

Typische Irrtümer in der Beschaffung

In der Beschaffungspraxis kursieren hartnäckige Annahmen, die den tatsächlichen Schutzwert von Multinormkleidung schnell relativieren. Einer der häufigsten Denkfehler lautet: Je mehr Normen, desto besser. Doch Schutzkleidung, die alles ein bisschen kann, schützt im Zweifel nichts richtig. Entscheidend ist, was für den konkreten Einsatz erforderlich ist – nicht, wie viele Symbole auf dem Etikett stehen.

Viele fragen sich: Ist Multinormkleidung nicht total unbequem?

Moderne Multinormkleidung verbindet zertifizierten Schutz aber längst mit hoher Ergonomie, Atmungsaktivität und alltagstauglichem Design. Dass Multinorm nur für Elektrobetriebe gedacht ist, gehört ebenfalls ins Reich der Mythen: Auch Rückbau, Versorgung, Industrie oder Bau erfordern heute multifunktionalen Schutz.

Wer beschafft, sollte nicht nur auf Zertifikate schauen. Pflegeeigenschaften, Haltbarkeit und Einsatzhäufigkeit sind genauso entscheidend wie die Frage, ob die Kleidung überhaupt akzeptiert und getragen wird. Denn nur getragene PSA schützt.

Passgenauer Schutz statt Norm-Overload 

Multinormkleidung suggeriert oft maximale Sicherheit – doch mehr ist nicht immer besser. Kleidung, die für möglichst viele Normen zertifiziert ist, kann im Arbeitsalltag schnell zur Belastung werden. Sie ist häufig schwerer, wärmer und in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt. 

Ein gutes Schutzkonzept orientiert sich deshalb nicht am Etikett, sondern an der realen Gefährdung. Die Gefährdungsbeurteilung definiert, welche Schutzfunktionen tatsächlich notwendig sind. Alles, was darüber hinausgeht, bringt im Zweifel mehr Nachteile als Nutzen. 

Das Ziel ist klar: So viel Schutz wie nötig, so wenig Einschränkung wie möglich. Nur wenn Schutzkleidung funktional bleibt, wird sie im Alltag auch konsequent getragen – und erfüllt ihren Zweck.

Multinorm in der Praxis – worauf es wirklich ankommt

Unterschiedliche Einsatzbereiche, unterschiedliche Anforderungen

  • Rückbau: Flamm- und Partikelschutz, aber auch Bewegungsfreiheit und Hitzetoleranz sind entscheidend.
  • Energieversorgung: Fokus auf Lichtbogenschutz, oft kombiniert mit Warnschutz.
  • Chemieanlagen: Chemikalienspritzer, Flammen und antistatische Eigenschaften müssen zusammenkommen.
  • Straßenbau / Verkehr: Sichtbarkeit kombiniert mit Hitze- und Wetterschutz. 

Was sich zeigt: Multinorm ist keine universelle Lösung, sondern eine passgenaue Schutzstrategie. Die besten Lösungen entstehen durch Beratung, Erfahrung und Praxisnähe.

Worauf Sicherheitsbeauftragte und Einkäufer bei Multinorm Kleidung wirklich achten sollten

Multinormkleidung ist keine modische Zusatzoption, sondern eine sicherheitsrelevante Entscheidung. Dabei reicht es nicht aus, dass ein Kleidungsstück mehrere Normen aufweist. Entscheidend ist, wie zuverlässig und praxisgerecht die Schutzfunktionen in Kombination wirken.

Diese Aspekte sind besonders wichtig:

Zertifizierungen prüfen: Nur Kleidung mit gültiger Prüfung nach aktuellem Normstand – zum Beispiel EN ISO 11612:2015 – bietet die erforderliche Rechtssicherheit. Achten Sie auf die genaue Normkennzeichnung direkt am Etikett.

Schutzwirkungen hinterfragen: Nicht jede Multinorm-Kombination bietet automatisch höheren Schutz. Entscheidend ist, ob sich die verschiedenen Funktionen gegenseitig beeinflussen. Das gilt vor allem bei Schutz vor Hitze, Flamme oder Störlichtbogen.

Technische Leistungsnachweise einfordern: Fragen Sie gezielt nach Werten wie dem ATPV (Arc Thermal Performance Value) beim Lichtbogenschutz oder nach dokumentierten Tragetests. Hersteller sollten diese Angaben nachvollziehbar belegen können.

Tragekomfort berücksichtigen: Persönliche Schutzausrüstung muss nicht nur passen, sie muss auch getragen werden wollen. Wenn ein Kleidungsstück unbequem oder unpraktisch ist, wird es im Alltag oft gemieden. Multilagensysteme wie Unter- und Überjacken müssen daher funktional aufeinander abgestimmt sein.

Pflege und Schulung sicherstellen: Multinormkleidung erfordert regelmäßige Pflege und Anwendungsschulung. Nur wenn sie korrekt angelegt und instandgehalten wird, entfaltet sie ihre volle Schutzwirkung.

Wer Verantwortung trägt, schaut genauer hin. Multinormkleidung muss nicht nur normkonform, sondern auch einsatztauglich und akzeptiert sein – sonst wird Sicherheit zur bloßen Theorie.

Wie pflege ich Multinormkleidung richtig – und wie oft darf sie gewaschen werden?

Multinormkleidung schützt nur dann zuverlässig, wenn sie auch korrekt gepflegt wird. Viele Schutzfunktionen wie etwa flammhemmende oder antistatische Ausrüstungen können durch falsche Reinigung beeinträchtigt werden. Deshalb gilt:

  • Immer die Pflegehinweise des Herstellers beachten
  • Nur in zertifizierten Waschverfahren reinigen lassen
  • Regelmäßige Sichtkontrollen auf Verschleiß, Risse oder Materialveränderungen durchführen
  • Pflege- und Waschzyklen dokumentieren – besonders bei Leasing- oder Mietmodellen

Wie oft gewaschen werden darf, hängt vom jeweiligen Modell ab. Entscheidend ist, dass die Schutzwirkung auch nach mehreren Waschgängen erhalten bleibt. Wer hier auf Nummer sicher gehen will, lässt Multinormkleidung professionell pflegen. So bleibt die Funktion erhalten – und die Sicherheit auch.

Produktempfehlung aus der Praxis

Ein gutes Beispiel ist der  ASATEX Multinorm-Jacke DA7525JA08P  –  diese Langform-Jacke erfüllt eine Vielzahl relevanter Schutzstandards: EN 1149-5:2018 (Antistatik), EN 13034 Typ 6 (Chemikalienspritzer), EN 17353 Typ B3 (Warnschutz), IEC 61482 2 APC1 (Lichtbogen), EN ISO 11611 Klasse 1 A1 (Schweißen), EN ISO 11612 A1 B1 C1 E1 (Flamme) sowie EN ISO 13688 für allgemeine Eigenschaften. Sie kombiniert hohe Sichtbarkeit mit robustem Multinormschutz – perfekt für anspruchsvolle Einsatzbereiche wie Energie, Industrie und Bau. In Kombination mit der  Multinorm-Bundhose DA7525HO01P  ergibt sich ein praxisgerechtes Schutzsystem.

Besonders erwähnenswert: Unsere Tochterfirma Mauser entwickelt und produziert solche Multinormlösungen maßgeschneidert und zertifiziert – exakt abgestimmt auf branchenspezifische Anforderungen. Ob Bau, Chemie oder Energie: Wir betreuen Großkunden seit Jahren mit hoher Fertigungstiefe und echter Beratungskompetenz.

Fazit: Multinorm braucht mehr als eine Norm

Multinormkleidung kann Leben schützen, – aber nur, wenn sie zur Gefährdung passt. Zertifikate allein genügen nicht. Entscheidend ist das Zusammenspiel von Schutzwirkung, Material, Einsatzort und Handhabung. Für Sicherheitsverantwortliche heißt das: hinterfragen, vergleichen, testen – und im Zweifel: Von uns beraten lassen. Nur so wird Multinorm zur echten Schutzlösung.